Für die meisten Leute scheint Tierschutz ein wichtiges Thema zu sein. So gaben in einer Online-Befragung 2/3 aller Befragten an, dass ihnen Tierschutz wichtig ist. Für nur 13,1 Prozent ist das Thema bedeutungslos. Dennoch macht der Anteil von Biofleisch bei Geflügel etwa 1,5 Prozent, bei Rotfleisch (Schwein, Rind, Lamm, Schaf und Kalb) unter zwei Prozent und bei Fleisch- und Wurstwaren sogar unter einem Prozent aus. Obwohl so vielen Menschen der Tierschutz am Herzen zu liegen scheint, kaufen die allermeisten trotzdem immer noch konventionelles Fleisch.
Hühner machen einen sehr großen Anteil der Nutztiere aus, weltweit sind 80% der Nutztieren Hühner. Dabei liefern 160 Millionen Hühner rund 12,5 Milliarden Eier und 1 Milliarde Kilogramm Fleisch (Quelle). Aus diesem Grund möchten wir in diesem Artikel zeigen, wie sich dieser Fleischkonsum auf das Tierwohl von Geflügel auswirkt, da 2020 670 Millionen Hühner, Puten und Enten in Deutschland geschlachtet wurden. Während die Schlachtmenge von Rind- und Schweinefleisch 2020 gesunken ist, ist die Menge an Geflügelfleisch gestiegen. Seit 2010 sogar um 17%. Es wird also Zeit, sich anzuschauen, wie es um das Tierwohl von Hühnern in Deutschland steht.
Hier noch drei Artikel zum Thema Fleischkonsum
Kleine Hühnerkunde
Hühner sind sehr soziale Tiere – nicht nur unter Artgenossen sondern auch gegenüber uns Menschen. Sie verständigen sich mit über 30 verschiedenen Gackerlauten. Der ursprüngliche Lebensraum ist der Waldrand, wo sie von oben vor Fressfeinden geschützt sind. Geschlafen wird in der Regel auf Ästen in mehreren Metern Höhe. Das Scharren und Picken ist den Hühnern angeboren. Insbesondere der Schnabel ist ein wichtiges Sinnesorgan: damit wird die Temperatur erfühlt aber auch ob etwas essbar ist oder nicht. Hühner können bis zu 15 Jahre alt werden.
Wildlebende Hühner legen auf einmal 5-10 Eier und brüten diese dann aus. Aus diesem Grund kommen sie pro Jahr nur auf etwa 20 Eier, da im Winter keine Eier gelegt werden. Gezüchtete Hühner legen ganzjährig bis zu 300 (konventionell) bzw. bis zu 250 Eier (bio), da es keine Brutpause gibt (Quelle).
Die Eierproduktion
In der EU muss auf jedem Ei angegeben werden wie die Henne gehalten wurde.
- 3 = Kleingruppen- bzw. Käfighaltung
- 2 = Bodenhaltung
- 1 = Freilandhaltung
- 0 = ökologische Erzeugug
Eier aus Käfighaltung sind in deutschen Supermärkten allerdings nicht mehr zu finden. Sie werden aber nach wie vor von den meisten Lebensmittelhersteller*innen bezogen, die sie in ihren Produkten wie z.B. Nudeln verarbeiten.
Wie du an der Grafik siehst, gibt es erhebliche Unterschiede in der Haltung. Hühner in Boden- und Kleingruppenhaltung sehen in ihrem Leben kein Tageslicht, da sie das ganze Jahr über im Stall gehalten werden. Bei der Bodenhaltung muss ein Drittel mit Stroh, Sand oder Torf eingestreut sein. Allerdings ist auch hier kein ausreichendes Picken und Scharren möglich. Es kommt deshalb sehr häufig zu Federpicken bei anderen Hühnern oder gar Kannibalismus. Wie das aussieht, kannst du dir hier anschauen.
Die Käfighaltung wird inzwischen Kleingruppenhaltung genannt. Der Unterschied ist, dass der Platz für ein Huhn von der Größe von einem DIN A4-Blatt, sich auf eineinhalb A4-Blättern „vergrößert“ hat. Theoretisch gibt es dort auch Sitzstangen, ein Nest und Platz zum Sand baden. Aufgrund des Platzmangels, kann das aber in der Praxis nicht genutzt werden.
Egal wie die Hennen gehalten werden, ihre Aufgabe ist: Eier legen und das so viele wie möglich. Das permanente Eier legen ist natürlich sehr anstrengend für die Hühner und in dieser Form auch unnatürlich. Nur aufgrund der Hochleistungszüchtung ist es möglich so viele Eier zu legen. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. In der Regel ist nach einer Legeperiode (ca. ein Jahr) das Legeorgan stark entzündet und die Legeleistung geht zurück – in der Regel das Ende des Lebens der Henne.
Die männlichen Küken
Neben den teilweise sehr schwierigen Haltungsbedingungen hat die Eierproduktion eine weitere Problematik: männliche Küken, die bei der Zucht von Legehennen schlüpfen. Das Problem: die männlichen Küken legen natürlich keine Eier, aber sie setzten auch nicht genügend Fleisch an, dass es sich lohnen würde sie zu mästen und zu schlachten. Aus diesem Grund ist es nicht rentabel die männlichen Küken aufzuziehen, stattdessen werden sie direkt nach dem Schlüpfen in Massen geschreddert oder anderweitig getötet (im Jahr sind es rund 45 Millionen Küken, die geötet werden). Ab 2022 ist das Töten der männlichen Küken endlich verboten, dann müssen sie mit aufgezogen werden, oder schon im Ei aussortiert werden. Ein Hühnerei wird 21 Tage lang gebrütet, durch einen Picks in das Ei ist eine Geschelchtsbestimmung aktuell zwischen dem neunten und zehnten Tag möglich, anschließend können die männlichen Eier „aussortiert“ werden. Da der Embryo ist aber schon ab dem sechsten Tag schmerzempfindlich. Aus diesem Grund gilt ab dem Jahr 2024, dass das männliche Ei vor dem siebten Tag aussortiert werden muss (Quelle).
Eine mögliche Lösung dieses Problems sind sogenannte Zweinutzungsrassen, bei denen sich die Hühner sowohl zur Eier- als auch zur Fleichsproduktion nutzen lassen. Früher waren diese Rassen weit vebreitet, in den letzten Jahrzehnten wurden sie aber durch Hühnerrassen ersetzt, die aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Hochleistung gezüchtet wurden: Eier oder Fleisch (beides in diesem Maße ist nicht möglich). Aber immer mehr Menschen wollen das Töten der männlichen Küken nicht länger hinnehmen und so tauchen vermehrt sogenannte „Bruderhahn„-Eier in den Supermärkten auf. Bei der Bruderhahn Initiative werden die männlichen Küken nicht getötet, sondern gemästet und aufgezogen. Es handelt sich bei ihnen aber nicht um eine richtige Zweinutzungsrasse. Die männlichen Küken aufzuziehen und zu verkaufen ist daher nicht rentabelt, ihre Aufzucht wird durch einen höheren Preis der Eier der Legehennen querfinanziert. Längerfristig macht es also Sinn wieder vermehrt Zweinutzungshühner zu züchten, diese können zwar nicht mit den gezüchteten Hochleistundrassen mithalten, leiden dafür aber unter weniger leistungsbedingten Krankheiten.
Die Fleischproduktion
In der EU werden jedes Jahr über 6 Milliarden Hühner für die Fleischproduktion geschlachtet. Der größte Geflügelchlachthof Europas ist in Niedersachsen: 450 Tiere pro Minute, das sind 432.000 am Tag, werden dort getötet. Das Ziel: durch Masse einen möglich billigen Preis erzielen, denn das ist immer noch das größte Verkaufsargument, nach wie vor ist die Nachfrage nach möglichst billigen Tierprodukten sehr hoch. Dies hat auch zur Folge, dass immer weniger Betriebe, immer mehr Tiere halten. Während die Zahl der Betriebe sinkt, steigt die Zahl der Tiere, die sie halten. Fast alle Hühner in Deutschland (konkret 97 Prozent) leben in konventioneller Bodenhaltung, Hühner in Freilandhaltung machen nur einen sehr geringen Anteil aus. Dies hat natürlich Konsequenzen für die Tiere:
Wenig Platz: In der Mast wird zwischen der Kurz- und Langmast unterschieden. In der Kurzmast werden die Tiere nach 28 bis 30 Tagen mit etwa 1,5 kg Körpergewicht geschlachtet, in der Langmast leben die Hühner etwa 42 Tage und erreichen ein Endgewicht von 2,7 kg. Dabei leben sehr viele Tiere, in der Regel ohne Tageslicht, auf sehr engem Raum. Konkret bedeutet das, dass pro Quadratmeter ungefähr 20 Hühner erlaubt sind. Bei der Kurzmast sind es sogar 26 Hühner pro Quadratmeter (das ist pro Huhn etwas weniger als einem DIN-A5-Blatt plus einem Bierdeckel). Platz zum Scharren, Sandbaden oder Erkunden ist also quasi nicht vorhanden.
Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere: Hinzu kommen gesundheitliche Folgen für die Hühner, die innerhalb kürzester Zeit viel Fleisch ansetzen sollen. In Putenställen brennt beispielsweise 24 Stunden Licht, damit die Tiere auch nachts Futter zu sich nehmen und so schneller zunehmen. Dabei sind die Tiere so gezüchtet, dass sie insbesondere im Brustbereich mit möglichst wenig Futter viel Fleisch ansetzen. Diesem Gewicht können Beine und Hüfte oft nicht standhalten und es kommt häufig zu schmervollen Deformationen der Beine. Gegen Ende der Mast können sich einige Tiere gar nicht mehr fortbewegen und nur noch liegen (Quelle). Hinzu kommen Hautentzündungen durch das viele Liegen, Entzündungen an Augen und Atemwege durch das viele Amoniak und Verhaltensstörungen durch den fehlenden Platz (Quelle).
Der Einsatz von Antibiothika: Die viel zu schnelle Gewichtszunahme führt zu vielen körperlichen Problemen und Schmerzen bei den Tieren, welche wiederum mit Medikamenten behandelt werden. So wird in der Hähnchenmast beispielsweise Aspirin eingesetzt, um den Schmerz von Tieren zu lindern, deren Beine aufgrund ihres hohen Mastgewichts brechen. Mit Hinblick auf dasThema der antibiotikaresistenten Keime besonders problematisch ist der hohe Antibiotikaeinsatz. In den 32 Tagen, die ein Masthuhn lebt, wird es rein statistisch 2,3 Mal mit Antibiotika behandelt (Quelle).
Was kann ich tun?
Auch hier ist (wei bei den anderen Artikeln zu diesem Thema) mal wieder unser Résumé: wenn uns das Tierwohl wichtig ist und wir nicht auf den Konsum von Eiern oder Fleisch verzichten möchten, dann kommen wir nicht drumrum mehr für diese tierischen Produkte zu bezahlen, darauf zu achten wie und unter welchen Umständen diese erzeugt wurden und weniger Fleisch und Eier zu essen.